Franz Burkhardt
Lebe im Verborgenen

Einführungstext in den Katalog : LEBE IM VERBORGENEN F. Burkhardt


Franz Burkhardt erhielt in den Jahren 2001 bis 2003 ein zweijähriges Stipendium der Günther-Peill-Stiftung. Für die Abschlussausstellung im Leopold-Hoesch-Museum Düren mit dem Titel "Lebe im Verborgenen" baute Franz Burkhardt den "Raum Nr. 48", abgebildet auf den Seiten 44, 45 und 47 der vorliegenden Publikation.

Seit 1993 kreiert er Objekte, Möbelstücke und Räume aus Weggeworfenem, aus Alltagsmüll. Breites Klebeband hält vieles zusammen, vor allem die oft bunten Holzreste mit herrlichen Gebrauchsspuren, die Geschichten erzählen, ihr Gedächtnis im Dekor verbergen. Raum Nr. 48 nun ist nicht aus Abfallmaterialien geschaffen wie die zuvor gebauten 47 Räume. Den Innenraum - ebenso den das Holzhaus umgebenden Ausstellungsraum - dekorierte Franz Burkhardt mit kleinformatigen Zeichnungen, die er unauffällig, ordentlich gerahmt an die Wände nagelte.

Sein 48. Raum, unbelastet von Gebrauchsspuren und damit fast unberührt von Vorgeschichten, gebaut aus neu zugeschnittenem Holz, sucht vordringlich sein noch junges Gedächtnis im Beziehungsgeflecht zu den Zeichnungen aufzuladen. Und diese haben es in sich.

Die Zeichnungen - ebenfalls im Gewand der scheinbaren Unberührtheit sich präsentierend - enthüllen beim näheren Hinschauen ihre tiefsinnige, vielschichtige Welt, ihr mehrdeutiges, subtiles Spiel. Lil' Kim und Foxy Brown, von Albumcovern fein säuberlich abgezeichnet, Pin-Up-Girls, aus Boulavardzeitungen in zarte Zeichnungen übertragen, erleben in der zeichnerischen Übersetzung eine feinsinnige Intimität, eine kaleidoskopartig sich entfaltende Privatheit.

Interieurs mit weiblichen Akten, ruhend in Bettlandschaften aus Laken und Kissen, überaus detailfreudig wie Sandstrände oder Bergklüftungen gezeichnet, animieren in ihrer verhaltenen Direktheit die Maschinerie der Phantasmagorien.

Körper als Zeichen eines speziellen Menschen, Körper, nicht selbst gewählt, in denen wir leben. Unsere Gedanken, unsere Wünsche, unser Geist, unser Gefühlsleben ist zeitlebens in diesem eingeschlossen. Körper ist Hülle, ist Behausung, ist unser Haus, ist unser Raum, in dem und mit dem wir agieren.

Unter diesen Aspekten wird Burkhardts neu gebautes Haus Nr. 48 Hülle, Schutz, Zuflucht, ein Ort der Stille und Ruhe, ein Ort für Besinnung. "Lebe im Verborgenen", nennt Franz Burkhardt diese Ausstellung. Schau genau hin, vor allem auf die Zeichnungen, die auf den ersten Blick feingliedrig und zart dem Auge begegnen, aber in der detailfreudigen Direktheit und gleichzeitigen Zurückhaltung den Betrachter gefangen nehmen. Schrift findet sich in den Zeichnungen. Um sie lesen zu können, muss man sehr nahe herantreten, vielleicht sogar eine Lupe zur Hand nehmen. Die Schrift im Bild zwingt einmal mehr, genau hinzuschauen, sich dem kleinen Format entgegen zu beugen. "Letztendlich handelt Mathematik auch nur von Strichen auf einem Papier", liest man.

Wahrnehmung mit Bewusstheit, Assoziationen und Erinnerungen fließen in die Darstellung "Zeichnung" ein. Das Arrangement Zeichnung wird plötzlich zum Aktionsfeld. Das Erwachen im Kopf und im ganzen Körper, die Vermischung von Sehen, von Erleben und Erinnern gleicht einem gewaltigen Erdbeben in Form eines babylonischen Sprachgewirrs.

Für die Stirnwand des Ausstellungsraumes zeichnete Franz Burkhardt eine großformatige Zeichnung mit Chinatusche. Es ist das Kraftwrk Weisweiler, ein markantes Zeichen auf dem Weg nach Hause, nach Belgien. "Es gibt die Richtung, die ich fahre - in meine Verborgenheit", äußerte der Künstler.

Außen und Innen überlagern sich plötzlich, hoffentlich lediglich in Gedanken. Ein Zeit-Raum-Gefüge entsteht. Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft - alles ist plötzlich eins. Die Abenteuer beginnen im Kopf und ziehen dann weiter. Eine ganz neue Welt entsteht: im Verborgenen. Behaltet das Verborgene in Ehren, sonst zerplatzt es im grellen Licht des Beobachtetwerdens, des Nicht-Mehr-So-Sein-Dürfens. Vertraue auf dein Inneres im Verborgenen. Es ist von Zärtlichkeit im Selbstverständnis umhüllt.

In der Intimität entweicht der Geist nicht. Er verdichtet sich, setzt zu Höhenflügen an in eine andere Welt, die Alles ermöglicht und erlaubt, die Freiheit garantiert. Nur so kann man sich dem Leben anvertrauen.

Dorothea Eimert



Katalog: Franz Burkhardt - Lebe im Verborgenen, (Hrsg. Leopold-Hoesch-Museum und Günther-Peill-Stiftung, 2007)


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