Silke Leverkühne

Eine kühle Distanziertheit wie bei den Neusachlichen Malern steckt in den neuen Bildern von Silke Leverkühne, jenseits von jeder bewegten Spontanmalerei z.B. der Neuen Wilden.

Im Grunde hält sie klassisch strukturierte Bildformen bereit, die von Mäßigung zeugen: einfache, reduzierte Thematik, Ausschnitte, runde, plastische Formen in Wiederholung treten ebenso auf wie Treppen, Stufen, Kaskaden, klare übersichtliche flächenhafte Farbgebung, gezielte Lichtführung und Schattenwirkung, eine Vorliebe für Draufsicht oder Schrägansicht von oben und dadurch große Diagonalen durchs Bild, Isolierung des Bildgegenstandes.

Ein Italienaufenthalt hat Silke Leverkühne für das Licht des Südens begeistert, eine gewisse Überhöhung und Monumentalisierung des Motivs entsteht durch die Reduzierung aufs Detail. Die objektivierte Gegenstandserfassung führt zu einer bedeutungssteigernden Bildorganisation, einer Art magischen Realismus.

Silke Leverkühnes frühe Bilder waren Figurendarstellungen, hier sind es große komponierte Landschaften. Indem sie sich um eine reine, ideale Form bemüht, gelingt ihr in immer umfassenderem Maße die Abstraktion der Form bei konstant bleibender Affirmation des Gegensätzlichen. Blockhaft vereinfachte, additiv geschichtete, diagonal gereihte Einzelformen oder sparsam hingewürfelte Kreiselemente, in denen das Atmosphärische durch ihre Schattenprojezierung eingefangen und durch eine mal flächige, mal expressiv dynamisierte Farbgestaltung variiert wird. Es geht Silke Leverkühne nicht um die Ablösung vom optischen Erscheinungsbild; wenn sie die organischen Natur- oder architektonischen Kunstformen auf der Leinwand quasi in behauene Blöcke verwandelt, so nur, um eine Struktur mit dem jeweils dominierenden Motiv durchzusetzen. Natur und Architektur gewinnen so eine rein künstlerische, geistige Qualität. Es herrscht eine konstruktive Bildordnung vor, man kann sich ihrer Magie nur schwer entziehen. Die Sogwirkung z.B. der Kraterdarstellungen, die sich schon in der riesigen Trichterform der roten „Arena“ von 1988 ankündigt, ist vor allem in dem schwarz eingebundenen Bild von besonderer Kraft. Dagegen verbildlichen die in gleißendem Licht aufgereihten grünen Hocker und ihre tiefblauen Schatten geheimnisvolle Leere, zumal sie in der rechten Hälfte gedrängt stehen, während die linke obere Hälfte unbestückt bleibt.

Mitten ins große Hochformat eingebunden zeigt ein 1986 in Berlin gemaltes Bild, „Portal“ eine Tür in Florenz, leicht in Schräglage gerückt. Es entsteht Bewegung und durch den lockeren Farbauftrag Leben. Plötzlich erschließt sich hier eine reliefhafte Figur mit auf den Schultern ruhendem, rundem Kopf und staksigen Beinen vor einer im unteren Drittel unterteilten, flachen Wand. Trotzdem macht den Reichtum dieses Bildes mehr die Farbe als die Form aus. Die äußere Form, sagt Silke Leverkühne, liegt relativ schnell fest, wird höchstens noch reduziert im Laufe der Arbeit; die Farbe, ihr spontaner Auftrag, ihre Verwischung das Übereinander verschiedener Töne, als Vorgang noch sichtbar, ist ihr wichtiger. In diesem Fall ist es bestechend, wie das Krapplackrot auf dem Braun sitzt, auch im „Arena“-Bild hat sie Krapplack verwendet, allerdings dort um ein lebendiges, lockeres Blau herum, hier und da scheint durch das Kadmium noch ein schwaches Grün.

Mit Farben, das wird in jedem einzelnen Bild deutlich, versteht Silke Leverkühne umzugehen. Die Assoziationen von Sonnenbeschienenem gelingen ihr ebenso wie die Darstellung von Düsternis. Wie sie ein Weiß in eine Vertiefung setzt ohne Schatten, wie sie Grünes im Schatten blau werden lässt, wie sie Rosa mit Englischrot und Terra Ercolano zusammenbringt, Rot auf Blau setzt, das zeigt Gestaltungsfähigkeit in differenzierter Form.

Einer japanischen Meditationsübung gleicht das bis zum äußersten reduzierte Bild von 1989 in seiner rosa monochromen Fläche und die ganz isoliert und nur die rechte Bildhälfte einnehmenden vier runden grünen künstlichen Steine.

Über die Figurmalerei, das Stilleben, ist Silke Leverkühne jetzt zur Landschaftsmalerei in einer lapidaren und kargen Form vorgedrungen. Einer Tendenz zur Ruhe und Entindividualisierung kommt sie entgegen. Eine subjektive, expressive Einstellung weicht einer sachlicheren, reduzierten. Hochsensibel aber bleibt das Vermögen, die Dinge zu arrangieren, so unspektakulär sie auch erscheinen mögen. Der unbestimmte Raum, in den sie gestellt werden, verleiht ihnen eine melancholische, doch strenge Würde.

Sabine Fehlemann



Katalog: Silke Leverkühne (Hrsg. Leopold-Hoesch-Museum Günther-Peill-Stiftung, 1989)


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