Michael Denkler-Gietz
Die Schönheit des Augenblicks

Was unterscheidet den Holzbildhauer Michael Denkler-Gietz von seinen älteren Kollegen, die bereits vor ihm die roh behauene Holzskulptur kreierten? Was unterscheidet ihn beispielsweise von einem Karl Manfred Rennertz, der noch als Student bereits 1979 als einer der ersten sich der bemalten Holz-Figur verschrieb - als gleichzeitig und etwas später die bereits Arrivierten wie Penck, Baselitz, Lüpertz ebenfalls das Medium Holz für ihre Arbeit entdeckten? Auf den ersten Blick ist man geneigt, Michael Denkler-Gietz als jüngeren Vertreter expressiver Holzskulptur der Reihe der Arrivierten kommentarlos anzureihen.

Aber eine eigentümliche Kraft zieht den Betrachter suggestiv in den Bann. Eine urwüchsige Unmittelbarkeit, eine vibrierende Lebenskraft paart sich in seinen Figuren mit zeitlos erscheinender Stille und Muße. Es ist die Schönheit des Augenblicks, die Michael Denkler-Gietz besingt wie kein anderer. Seine Skulpturen sprudeln von ursprünglicher Frische. Sie speichern konzentrierte Zeittakte. Zeitmomente von Bewegungen bei Menschen und Tieren finden in der Skulptur die künstlerische Überhöhung. Extremitäten wie Beine und Arme können dabei zu lang oder zu kurz geraten, Brüste glockig überdimensioniert baumeln, andere Körperteile eckig oder gelängt expandieren. Auf jeden Fall erhält die im Augenblick festgehaltene Körperstellung eine Überpointierung bis ins Extreme, so dass die vorhergegangenen und die zukünftigen Bewegungsphasen zum charakterisierenden Typus kulminieren.

Aus Holzblöcken und Holzstämmen sägt und schlägt Michael Denkler-Gietz seine Figurationen. Ausdrucksträger ist das warme, lebendige Material Holz, sind die groben oder fein gesetzten Bearbeitungsspuren, ist Farbe. Die Farbe hat starken Ausdruckswert. Sie unterstreicht nachdrücklich die bildhauerische Expressivität. Die Spuren der Holzbearbeitung und die Bemalung stehen in regem Austausch. Die Farbe umgibt die Skulpturen teilweise wie eine poröse Haut. Sie unterstreicht die haptischen Qualitäten des darunter liegenden Holzgrundes.

Michael Denkler-Gietz war seit Februar 1992 für zwei Jahre Stipendiat der Günther-Peill-Stiftung. Diese Ausstellung im Leopold-Hoesch-Museum und der vorliegende Katalog geben Einblick in die Schaffensphase der Förderungszeit. Michael Denkler-Gietz hat durch konzentriertes Arbeiten seinen Standort gefestigt. Er wird seinen Weg gehen.

Dorothea Eimert

Lutz Rohs und Michael Denkler-Gietz im Gespräch

MDG: Ich frage mich, warum ich hier auf dem Dorf bin. Warum bin ich nicht in Berlin oder Köln?

ROHS: Du arbeitest meistens über Leben, und das ist eine Frage, die ich Dir schon mal gestellt habe, das Gefühl, dass dich nicht so sehr Themen wie Stadt oder Land interessieren, sondern Lebendes als solches.

MDG: Und das krieg' ich auch hier mit.

ROHS: Die Darstellungen, Bewegungen, sind ja losgelöst von ihrer Umgebung.

MDG: Bewegung ist nur der Ausdruck des Inneren. Um vor vier Jahren den Gewichtheber zu machen, der vornübergebeugt die Hantel nimmt und sich total konzentriert auf das Hochheben, musste ich mich in dessen Situation hineinversetzen können. Die Figur habe ich jetzt noch einmal versucht, sie ist mir aber völlig missglückt.

ROHS: Der Gewichtheber ist bedingt durch seine Planung und seinen Ehrgeiz.

MDG: Der Gewichtheber bezeichnet den Weg nach oben. Jetzt habe ich einen gemacht, der das Gewicht schon auf halber Höhe hat, aber vor vier Jahren war es noch schön unten, das war der Moment des Eingreifens.

ROHS: Hast Du das Gefühl auch damals gehabt?

MDG: Das Gewicht auf dem Boden darzustellen geht zur Zeit nicht. Verglichen mit mir als Künstler - ich müsste erst wieder in den Genuss kommen, von vorne anzufangen.

ROHS: Das wäre die Frage, mit der ich angefangen hätte: Wie kommt ein gesunder Mensch mit zwei Armen und Beinen dazu, Künstler zu werden?

MDG: Du weißt ja, wegen Freundin und Nichtfreundin -

ROHS: Aha, Freud hat doch recht.

MDG: Also - weil er nach oben will.

ROHS: Das ist nicht so leicht als Künstler.

MDG: Künstler ist zur Zeit der begehrteste Beruf.

ROHS: Aber ob hinter diesem Begehren steckt, dass die Leute nach oben wollen? Ich glaube, die meisten wollen nur raus.

MDG: Es ist dieser Moment, diese kurze Entscheidung: Hat es Zweck, Künstler zu werden oder nicht. Ich werde kein Albrecht Dürer oder Picasso sein, ich weiß gar nicht, ob Künstler meine Bestimmung ist, aber es ist zweifelsfrei der richtige Weg für mich.

ROHS: Hat das überhaupt Sinn, sich Gedanken über eine Werteskala des Erfolgs zu machen? Tennisspieler, da geht's um die Welt-Rangliste. Dürer vor Becker vor Connors.....

MDG: Pete Sampras hat, um Profispieler zu werden, die Schule geschmissen. Er ist jetzt die Nr. 1, das hat sich ja dann wohl gelohnt. Obwohl ich mir vorstellen kann, dass er auch auf anderen Gebieten eine Chance hat. Darum beneide ich ihn.

ROHS: Arbeitest Du auf das Ziel hin, der Größte, Schönste, Beste zu sein oder willst Du nicht zuerst etwas für Dich oder für andere erreichen, sozusagen sinnstiftend?

MDG: Bei mir ist ein starkes Minderwertigkeitsgefühl der Motor, zumindest am Anfang. Sonst sitzt du halt nicht jeden Sonntag in der Kunsthochschule, wenn alle anderen schwimmen gehen. Dann könntest du dir auch sagen, geh' ich heute eben schwimmen. Aber ich will ja was erreichen, und ich glaube, um da durchzuhalten reicht es nicht aus, sinngebend zu sein.



Katalog: Michael Denkler-Gietz - Kikeriki (Hrsg. Leopold-Hoesch-Museum Günther-Peill-Stiftung, 1993)


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