Yâna Milev
ResonanzArchitektur 2000

„ResonanzArchitektur hat sich von dem klassischen Habitus des Stabilen und Nützlichen befreit. Sie ist flüchtig und ewig zugleich. Ja in der völlig unfassbaren Flüchtigkeit des 'just now' generiert sie die Ewigkeit. Ohne daß sie jemals behindert, anhaftet oder begrenzt. - Ziel der ResonanzArchitektur ist nicht die Akkumulation urbaner Behauptungen, sondern ihre Dekonstruktion, am Ort des individuellen Leibes.“

Yâna Milev

Seit 1992 beschäftigt sich Yâna Milev explizit mit Fragen der Urbanisierung des individuellen Leibes und den Mustern urbaner Architektur. Im Zuge dieser Auseinandersetzung entwickelt sie 1997 Begriff und Theorie der De-Urbanisierung. Allerdings entzündet sich ihr urbanes Interventionsprogramm zu einer impulsiven und wirksamen Methode erst mit ihrer Hin-wendung zum BUDÕ, dem japanischen „Weg des Krieges“. 1997 reist Yâna Milev nach Japan und verwickelt sich dort in eine kulturelle und spirituelle Umkehrbewegung. Ihr Standpunkt verändert sich und somit auch ihr Verhältnis zu „urbaner Kunst, urbaner Architektur und urbaner Ästhetik“. Yâna Milev trainiert KYUDÕ, das japanische Bogenschießen und entdeckt in  Umgebung des DÕ den Begriff der ResonanzArchitektur. Schließlich findet sie im Training der ResonanzArchitektur die Realisierung ihrer Intention der De-Urbanisierung, praktisch und im angewandten Sinne einer gelebten Architekturkritik.

Stefanie Kleefeld

I submit! – Für die Resonanz

Yâna Milev lebt 1998-1999 in Japan. Nach mehreren Kurzaufenthalten blieb sie schließlich, nicht um herumzureisen, sondern um in Kyôto einen normalen japanischen Alltag zu finden. Sie trainiert Kyudô, das japanische Bogenschießen (Kyudô: Bogen-Weg). Unerwartet begegnet ihr in der Lehre und den Trainingspraktiken des Dô ein Schlüssel zu eigenen Intentionen jahrelanger Modell- und Definitionsbildung über Leib und Raum. Allerdings kam das alles ganz anders auf sie zu, so dass sie sich mittendrin befand; in einer Art Erdrutsch ihres Systems A.O.B.B.M.E.©.

1994 gründete Yanâ Milev „Association of Black Box Multipli Environments (A.O.B.B.M.E.©) – Institut für Angewandte Raumforschung und Mikrotopische Kulturproduktion®“, lässt den Markennamen schützen und ihn auf ihrem Rücken einbrennen, als einen rituellen Akt, der ihren Leib sowohl als „Existenz-Mysterium“ markiert, als auch als „urbanen Defekt“ stigmatisiert. 1997 verlässt sie einstweilen ihr urbanes Interventionsprogramm, um sich selbst von einer ganz anderen Richtung zu nähern. In dieser Bewegung trägt sich die Realisation von A.O.B.B.M.E.© als eine fundamentale und essentielle Wendung, die automatisch Yâna Milevs Verhältnis zu „urbaner Kunst, urbaner Architektur und urbaner Ästhetik radikal und im angewandten Sinn ändert“.

„Das Phänomen der Resonanz, das sich mit dem Exerzitium des Dô ereignet, steht dem westlich-europäischen Verständnis von Ästhetik, jenen in den urbanen Künsten inszenierten Manifestationen (Ästhetisierung), diametral entgegen. „Dieses Erleben kristallisiert sich für Yâna Milev zum neuralgischen Punkt ihrer aktuellen Auseinandersetzung. Sie entdeckt in den Übungen des Dô den Begriff der ResonanzArchitektur. „Resonanzarchitektur ist ein Hybrid, geboren in einem west-östlichen Doppelloop und meint UmkehrArchitektur, also leibliche Negation urbaner Architektur. „Sie beschreibt die Rituale des Dô als dynamische, kurzfristige und sich wiederholende physiologische Gebäude. Es ist eben jene konkrete Arbeit mit dem agierenden und erlebenden Körper, die den ganzen Leib erschließt und in ihm selbst auf die Realität der Resonanz trifft. Demnach bezeichnet sie den „Budôka als ResonanzArchitekten und den Künstler urbaner Ästhetik als RepräsentationsArchitekten.“

Mit der Praxis des Dô hat Yâna Milev, in einer Art Kreisbewegung, ihre Arbeit zur lebendigen Aktion, mit und an sich, wieder aufgenommen. Nach einer Ruhepause, dem Rückzug in eine gedankliche Welt, vollzieht sie nun also wieder eine Art Performance. Nicht im Sinne eines schauspielenden Theaters oder einer vorführenden Inszenierung, sondern im Geschehenlassen und sich Bewegenlassen, inmitten streng koordinierter und einfacher Handlung. Das Neue ist, und darin liegt der Unterschied und die Bewegung in ihrer Arbeit, dass die Sichtweise eine andere ist. Bejahung statt Verneinung. Ihre Handlungen sind nicht mehr ein Abgrenzen und Entkommenwollen, sondern ein Eröffnen. Die Frage nach der Möglichkeit gesellschaftlichen Widerstands gegenüber Normativen und Einschreibungen bleibt bestehen und wird immer wieder neu gestellt. Kann aber aus den Erfahrungen heraus gelassener ins Blickfeld genommen werden, weil urbanes Scheitern für sie nicht mehr Selbstzerstörung meint, sondern Selbstgewinn vom Grund her. „I submit! – Für die Resonanz.“

Stefanie Kleefeld



Katalog: Yana Milev - Resonanzarchitektur (Hrsg. Leopold-Hoesch-Museum Günther-Peill-Stiftung, 2000)


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