Astrid Feuser

Astrid Feuser gehört neben Günther Beckers, Silke Leverkühne und Volker Saul zu den ersten Stipendiaten der Günther-Peill-Stiftung.

Vorwort - Interview


FULKANELLI: Du hast mir soeben einen Ausspruch zitiert, von dem du glaubst, dass er für deine weitere künstlerische Arbeit zur Initialzündung werden könnte. Ich möchte ihn noch einmal wiederholen: „Gewisse geometrische Anordnungen hochgereinigter Materien genügen, um Atomkräfte freizusetzen, ohne dass man entweder auf Elektrizität oder Vakuumtechniken zurückzugreifen braucht. Es gibt eine Möglichkeit, Materie und Energie so zu behandeln, dass das erzeugt wird was moderne Wissenschaftler ein Kraftfeld nennen.. Dieses Feld wirkt auf den Beobachter und versetzt ihn in eine privilegierte Position gegenüber dem Universum. Von dieser Position aus hat er Zugang zu den Realitäten, die vor uns gewöhnlich durch Zeit und Raum, Materie und Energie verborgen sind. „Wir glaubst du, könnte man einen solchen Gedanken künstlerisch umsetzen? Denkst du dabei vielleicht an den Bau von Isolationskammern zur Meditation?

ASTRID FEUSER: Sehr richtig, etwas in der Art schwebt mir vor, etwas in der Art einer „Meditationskammer“, in der man vor den Sinneseindrücken der physischen Welt abgeschirmt ist, die darüber hinaus in den Abmessungen und in ihrer Materialität mit kosmischen Gegebenheiten im Einklang ist. Einen Prototyp habe ich zur Zeit bereits in Arbeit, ich nenne es „Meditationshäuschen“ , wobei für dieses allerdings der Wunsch Ausgangspunkt war, vom flächenhaften zweidimensionalen künstlerischen Arbeiten zu mehr objekthaften dreidimensionalen Dingen vorzustoßen.

FULKANELLI: Hast du denn das Gefühl, dass deine jetzige künstlerische Phase, die auch in diesem Katalog dokumentiert ist, abgeschlossen ist?

FEUSER: Ich denke, sie neigt sich dem Ende entgegen. Vor vier Jahren habe ich in der hier gezeigten Weise zu arbeiten begonnen, das kam ganz plötzlich, von einem Tag zum anderen, praktisch von einer Sekunde zur anderen, zu meiner eigenen überraschung.

FULKANELLI: War der Anlass vielleicht ein bestimmtes Erlebnis, vielleicht das, was du in deiner Biographie „Kleine Wiedergeburt“ nennst?

FEUSER: Ja, dieses Erlebnis hatte einschneidende Wirkung für mein ganzes bisheriges Leben, so sehr, wie kein anderes. Die Folge war, dass sich plötzlich bei mir, die ich völlig unvorbereitet war, die geistigen Türen und Tore öffneten, die spirituelle Welt, von der ich nichts wusste und kannte, verschaffte sich mit Macht Eingang. Neue ungewohnte und für mich ungewöhnliche Ideen strömten herein, eine zeitweilig veränderte Wahrnehmung, durchaus übersinnlich zu nennende Sinneseindrücke, alles kam auf einmal und ohne, dass ich zunächst gewusst hätte, was eigentlich mit mir passierte. Später fing ich dann an zu lesen. Ich weiß noch, wie ich das erste Buch mit spiritueller Thematik, Leadbreaters „Chakras“, fast heimlich wie ein Dieb ins Haus brachte und welchen Aufruhr es erzeugte. Bei der Lektüre- ich hatte bis dato selbst das Wort „Chakra“ noch nie gehört- dieses und weiterer Bücher merkte ich schnell, dass all diese Gedanken, die sich meiner bevollmächtigt hatten, die ich für meine eigenen gehalten hatte, und die mir so sonderbar, ja fast verrückt erschienen waren, wie diese Gedanken ganz normal waren. Teilweise waren es Fragen, mit denen sich die Menschen verschiedener Kulturkreise, Religionen, Weltanschauungen beschäftigten, oder einfach geistige Wahrheiten, wie etwa die Tatsache der Reinkarnation. Nachdem ich nun den ersten geistigen Heißhunger gestillt hatte und meine Wahrnehmungen und Gedanken einordnen konnte, fing ich an, die spirituelle Thematik künstlerisch umzusetzen, oder besser gesagt, plötzlich strömte es quasi von selbst aus mir heraus, von einem Tag zum andern.

FULKANELLI: Welche Themen haben dich denn am meisten interessiert?

FEUSER: Zunächst natürlich einfach alles. Vom Buddhismus zu den Rosenkreuzern, vom Schamanimus zur Weißen Magie, über Astrologie und Numerologik zum Tarot. All das beschäftigte mich und floss in die künstlerische Arbeit ein. Aber auch Träume und eigene Reinkarnationserfahrungen, wobei besonders letztere zu schier endlosen Serien von Zeichnungen führten, das Zeichnen war dabei ein Prozess der Aufarbeitung und Katharsis.

FULKANELLI: Ich sehe, dass du viele Arbeiten gemacht hast, die die Figur des Christus zeigen. Hat das Christentum denn eine besondere Bedeutung für dich?

FEUSER: Das Esoterische Christentum - ja. Nachdem ich nun einige Zeit im Geiste um die Welt gewandert war, mich in Kyoto und im Himalaya aufgehalten hatte, bei den Medizinmännern und Sufi-Meistern zu Gast gewesen war, den Märchen und Mythen gelauscht hatte, fielen mir Schriften der Neuoffenbarung der Essener Weisheitsschule in die Hände. Dabei handelt es sich um durch das innere Wort empfangene Schriften, sog. Kundgaben, die mit ähnlicher Aussage auch an anderen Orten der Erde empfangen worden waren., z.B. in der Schweiz, in Luxemburg, in Mexiko. Diese Schriften brachten mich auf eine für mich selbst überraschend schnelle Weise ganz unmittelbar mit Christus in Berührung, zu einer Zeit, als ich darüber nachdachte, wie ich wohl all mein Suchen, Gelesenes, Gehörtes und eigene Erfahrungen auf einen Nenner bringen könnte, als ich nach dem einen Punkt suchte, auf den und um den sich alles konzentrieren könnte. Diesen Punkt fand ich in Christus. Ich sehe das so, dass das Eine, das Unvorstellbare und Unfassbare in Christus Form und Gestalt angenommen hat und so für uns Menschen konkret und begreifbar geworden ist. Die Figur des Christus beinhaltet so viele Aspekte, zeigt so viele Facetten, dass sie wieder und wieder Bildgegenstand wurde, ob als Stigmavisierter, aus dessen Wunden der Geist weht; Christus aber auch als väterlicher Freund mit allerlei menschlichen Figuren auf dem Schoß oder in den Armen, Figuren, die viel kleiner sind, Erwachsene und doch Kinder. Manchmal habe ich dabei auch an bestimmte Menschen gedacht, denen ich ganz besonders „einen Christus wünschte“, und so entstanden Zeichnungen wie „Christus und der kleine T.“ oder „Christus und Herr K.“. Christus in Gelb als der Materialisierte, in Rosa als der Fleischgewordenen, vielfarbig, als der Alle-Innehabende, Christus als Jude, als Indianer.

FULKANELLI: Du sagst, dass der Christus in gelber Farbe auf die Materialisation hinweist. Welche Bedeutung haben denn die Farben oder auch die Formen in deiner Arbeit? Haben sie vielleicht Symbolcharakter, wenn ja, welchen?

FEUSER: Gut, dass du auf die Symbolik zu sprechen kommst, denn das ist ein zentraler Punkt meiner Arbeit. An der Symbolik lässt sich auch gut erklären, wie stark ich mich in den letzten 15 Jahren künstlerisch verändert habe, man kann sagen, dass nach dem oben erwähnten Erlebnis eine Wende um 180 Grad eintrat. 1977, als ich zur Malergruppe „Axiom“ gehörte, hatte ich noch geschrieben: “Meine Bilder bedeuten nichts weiter als das, was unmittelbar auf ihnen zu sehen ist. Formzusammenhänge, Formteile, Farben und Bildgegenstände haben keinen übergeordneten Symbolwert. Ein zerbrochenes Glas bedeutet eben nur ‚zerbrochenes Glas‚ und ist kein Symbol für beispielsweise eine zerbrochene Freundschaft.“ Heute stecken meine Zeichnungen voller Symbole, die Auswahl der Bildgegenstände geschieht (fast) ausschließlich nach ihrer Bedeutung, das gleiche gilt für den Einsatz von Formen und Farben. Hierbei habe ich mich stark auf den indischen Tattwas orientiert: dort steht das gelbe Quadrat stellvertretend für Erde, der grüne Mond für Wasser, der blaue Kreis für Luft, das rote Dreieck für Feuer und das violettfarbene Ei für Akasha (d.h. Geist). Aber ich benutze das gelbe Quadrat nicht nur für Erde als Element, sondern auch für den Planeten Erde und alles, was damit in Zusammenhang steht, also: die physische Seinsebene, Materie, Materialisation, Inkarnation, aber auch Verfestigung, besitzen wollen usw. Analog arbeite ich mit den anderen Tattwas. Auch den Zahlen unterliegt eine symbolische Bedeutung, so entspricht etwa die Zahl Vier dem Irdischen. Will ich eine besonders dem Irdischen, Materiellen verhaftete Figur darstellen, so wäre sie nicht nur gelb, sondern hätte vielleicht vier Füße, mit denen sie noch fester als mit zweien auf der Erde stehen könnte, oder es wäre auch möglich, dass sie vier Hände hätte, um noch mehr zu raffen und zu schaffen. Hierbei ist auch gleichzeitig die Hand das Symbol der Tat und des Besitzens, Greifens, Habens.

FULKANELLI: Sicher ist es für den Betrachter nicht leicht, deine Bildwelten, die ja komplex und vielseitig sind, zu entschlüsseln und zu verstehen.

FEUSER: Das ist richtig, aber jeder Künstler kann nur so arbeiten, wie er arbeitet, das ist natürlich bei mir nicht anders. überhaupt- ich glaube gar nicht, dass ich es bin, die letztendlich die Zeichnungen macht, sondern es ist eine nicht sichtbare Kraft die mich inspiriert, ohne die ich nicht einen Strich zu Papier bringen könnte, aus der alles kommt, ich bin nur diejenige, die diesen Inspirationen auf materieller Ebene Gestalt gibt. Die besten Arbeiten sind immer mit fast meditativer geistiger Verfassung entstanden, wenn es mir gelungen ist, mich ganz leer zu machen. In diesen Momenten ist die Intuition am größten, wenn ich nicht aus mir herauswill, höre ich Stimme der Inspiration am besten, die mir bis ins Detail „vorsagt“, was ich machen soll. An den Tagen, wo die Inspiration, aus welchen Gründen auch immer, nicht „spricht“- es sind keine Worte sondern Impulse- kann ich überhaupt nicht arbeiten, dann wieder geht es so schnell, dass ich kaum mithalten kann, und ein Blatt nach dem anderen entsteht. Aber um noch einmal auf den Betrachter zurückzukommen: Stell' dir vor, ein Mathematiker würde eine komplizierte mathematische Formel oder Gleichung aufstellen. Wir zwei würden ratlos davorstehen, und doch wäre die Gleichung existent und hätte ihre Richtigkeit. Natürlich kann der Betrachter, der sich nicht um spirituellen Themen befasst hat, die Inhalte meiner Zeichnungen nicht oder nur teilweise verstehen. Aber bedenke bitte, dass das Unterbewusstsein des Betrachters auf jeden Fall angesprochen wird, denn diese Themen, die ich bearbeite, sind teilweise uralte Menschheitsthemen, Urmythen, Archetypen, die im Unterbewusstsein jedes Menschen ruhen. Und noch ein Trostpflaster: dem Auge bieten die Zeichnungen, denke ich, auch genügend optischen Anreiz.

FULKANELLI: Nun habe ich noch eine ganz andere Frage, ich hörte, dass du für zwei Monate nach Israel fahren wirst.

FEUSER: Das Schicksal meint es gut mit mir. Erst hatte ich das Stipendium der Günther-Peill-Stiftung, für das ich sehr dankbar bin, und nun werde ich im Rahmen eines Künstleraustausches zwischen Düsseldorf und Ein Hod am Berg Karmel nach Israel fahren.

FULKANELLI: Ich wünsche dir an den historischen Stätten des Heiligen Landes viele Inspirationen. Sicher wirst du, wenn du zurück bist, die neuen Ideen, über die wir gerade sprachen, in Angriff nehmen.

FEUSER: Ja vielleicht, aber planen kann man es nie....... vielleicht mache ich auch ganz was anderes.

FULKANELLI: Zum Beispiel?

FEUSER: Mal wieder ein richtig schönes großes Bild.


„.........so müssen wir das, was in den Formen lebt, als das lebendige Organ der geistigen Welt betrachten. Solange wir uns auf unserem Boden noch nicht gründlich abgewöhnt haben, nach Symbolen und Allegorien zu fragen, solange wir noch Mythen und Sagen allegorisch und symbolisch auslegen, statt den lebendigen Hauch des durch den ganzen Kosmos webenden Geistes zu verspüren und einzusehen, wie lebendig eindringt in die Gestalten der Mythen- und Märchenwelt das, was im Kosmos lebt, so lange kommen wir nicht zur wahren geistigen Erkenntnis.“ (Rudolf Steiner)



Katalog: Astrid Feuser (Hrsg. Leopold-Hoesch-Museum Günther-Peill-Stiftung, 1989)


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