Leni Hoffmann
Ubik

Leni Hoffmann - Rosen, Melvin und motorola

Leni Hoffmanns (*1962) Rauminstallationen aus Knete sind Interventionen im Raum mit intuitiv angelegten Proportionen und organischer Oberflächenbearbeitung. Die Knetformen machen die architektonischen und natürlichen Merkmale der Umgebung sichtbar. Durch das Begehen wird der Betrachter in die Aktivierung des Raumes einbe- zogen. Es ist die Begegnung mit einem sich ständig verändernden, dreidimensionalen Gemälde.

Für das Leopold-Hoesch-Museum Düren wird die Künstlerin die drei raumbezogenen Arbeiten Rosen, Melvin und motorola realisieren. Die Ausstellung in Düren ist Auftakt für eine größere Ausstellungstournee. Weitere Stationen sind Lübeck, Esslingen, Münster und München sowie Milwaukee/USA, Canberra/Australien und St. Gallen/Schweiz. Leni Hoffmann hat für die jeweiligen Häuser ortsbezogene Arbeiten entwickelt. Anläßlich der Eröffnung der Dürener Ausstellung entsteht ein umfangreicher Katalog, der das seit 1993 entstandene Werk und die kommenden Projekte exemplarisch belegt.

Rosen

Rosen befindet sich in dem rechten Saal. Dessen Anlage ist der eines Kirchenschiffes ähnlich, dieser Eindruck wird durch das imposante Deckenlicht verstärkt. Die Apsis ist geschwungen und obwohl sie kein Fenster aufweist, für eine Hängung von Arbeiten nicht geeignet. Ihre Form macht sie derart präsent, dass jeder auf sie gehängte oder vor ihr abgestellte Gegenstand mir ihr in visuelle Konkurrenz treten muss. Links und rechts schließen sich kurze Seitenschiffe an. Von links und rechts auf beiden Seiten ragen wieder Heizkörper in den Raum. Der Saal ist über zwei Zugänge betretbar. Der Hauptzugang liegt der gekrümmten Wand gegenüber. Der Seiteneingang führt über das rechte Seitenschiff.

Für Rosen wird eine 2,40 m hohe, 8 cm starke, verputzte Styroporwand eingefügt. Ihre Länge ist die Raumlänge. Mit Hilfe eines Kabels dieser Länge wird sie in zwei Schwünge gelegt, die diagonal in den Raum verlaufen. Da das neu errichtete Wandelement ge- schwungen und nicht gerade ist, hört es vor der gekrümmten Stirnwand auf, anstatt an sie zu stoßen. Die Krümmung der Stirnwand und der Schwung des Wandelements mit seiner Schnittkante setzen sich in Bezug. Links und rechts des Wandelementes entstehend zwei neu definierte Räume, in denen die Heizkörper als gestaltende Elemente mitwirken. Dem Raum werden horizontale und eine vertikale Knetfläche beigegeben, die Raumwände und Seitenschiff für das neu gebaute Wandelement aktivieren. Das Raumelement beginnt mit dem Türstock des Haupteingangs, schneidet ihn und schwingt sich von dort in den Raum. Im Raum selber oder außen neben der Tür sind keine Betitelungen angebracht.

Melvin

Düren ist eine wiederaufgebaute Stadt, in der das Leopold Hoesch Museum als historisch erhaltenes Gebäude eine Besonderheit darstellt. Das Museum steht frei und unverbaut an einem begrünten Platz. Man kann sich dem Bauvolumen von allen Seiten nähern, es gänzlich umschreiten. Der Eingang für die Besucher liegt auf der Schauseite zum begrünten Platz hin und ist über eine Freitreppe zu erreichen.

Im imposanten Treppenhaus führen geteilte Treppenfluchten nach oben in den ersten Stock des Gebäudes und treffen sich dort in dem ringförmigen, das Bauvolumen der Rotunde beschreibenden, balkonartigen Absatz. Über ihn betritt der Besucher die einzelnen Ausstellungsräume. Melvin belegt den mittleren, zentrisch gelegenen Saal. Der Saal hat ein großes Tageslichtgeviert an der Decke und ist sehr hoch. Bestimmend für ihn sind die links und rechts neben der Tür freistehenden, in den Raum ragenden Heizkörper und der Ausblick auf das Treppenhaus mit geschwungenem Fenster, einer Arbeit von Zaha Hadid und Putto. Diese Elemente stehen im Widerstreit, die Heiz- körper werden dabei als störend empfunden. Melvin klärt die Situation zu Gunsten der Heizkörper. Eine Styroporplatte wird in die Türlaibung eingebaut und verputzt. Das verputzte Element setzt die Wand weiter fort und definiert den vom Treppenhaus einsehbaren Raumausschnitt neu.

Die Treppe heraufsteigend sieht der Betrachter in den Raum und auf seine, mit einem Knetgummifries horizontal belegte Rückwand. Das Fries wird wie magisch von dem Deckenlicht ausgeleuchtet, ohne dass das Lichtgeviert noch sichtbar wäre. Durch das Lenken des Blickes erhält der Linoleumboden Farbfunktion.

Tritt der Besucher an den Saal heran, steht er vor einer "zu niedrigen" Türöffnung und muss sich, um in den Raum zu gelangen, bücken. Im Raum selber umlaufen geometrische, horizontale Rechtecksflächen an drei Seiten, auf unterschiedlicher Höhe die Wände. Sie setzen sich zueinander, wie zu den Heizkörpern, Raumhöhe und Putzfläche in Bezug. So gibt Melvin dem Raum einen Drehmoment, das dessen Ausrichtung auf die Fassade aufbricht. Der Putto im Treppenhaus bleibt sichtbar und wird für den Raum aquiriert. Die Heizkörper werden durch die Arbeit in ihrer skulpturalen Präsenz ernst genommen und zum wichtigen Bestandteil der Arbeit, sie werden "schön".

Knetgummi verbindet sich innig mit den Wänden. Es ist in einer rosettenartigen Auf- faltung aufgebracht. Durch das Licht und Schattenspiel intensiviert sich die Farbe. Der Fingerduktus baut die Fläche, wie er auch die erarbeitete, geschlossene geometrische Form zu dekonstruieren scheint. Die Farben des Knetgummis im Raum sind grün und orange.

Ein weiteres Element der Arbeit befindet sich über dem ehemaligen Türsturz. Ein geometrischer, horizontaler Knetriegel setzt sich von außen zu der neuen, verputzten Fläche und (wenn man die Treppe hochkommt) zur Raumdurchsicht in Bezug. Die Farbe des Riegels ist blau. Im Raum selber oder außen neben der Tür sind keine Betitelungen angebracht.

motorola

motorola befindet sich im Erdgeschoss im Korridor vor den Büroräumen des Museums. Dort belegt die Arbeit die Glaselemente der Vitrinenkästen, wie deren Rückwände. Orange und magenta farbene Knete ist in geometrischen Flächen auf das Glas oder die Vitrinenrückwände aufgebracht, die sich untereinander, wie mit dem sie umgebenden Raum, in Bezug setzen. Dieser "Sprung aus der Vitrine" gelingt über die Setzung eines vertikalen Knetriegels, der sich auf der linken Gangseite, rechts neben den Vitrinen, ein- schreibt. Der Knetriegel beschreibt die Höhe des Raumes. Die Vitrinen werden durch Neonlicht beleuchtet. Unterschiedliche Durchleuchtung und Materialpräsenz entsteht. Im Raum selber sind keine Betitelungen angebracht.

hoffmanns erzählungen

für seine erste große einzelausstellung im san francisco art institute im jahre 1969 entwickelte michael asher einen beitrag, der darin bestand, den ausstellungsraum mit stellwänden, die aus dem bestand der institution stammten, in zwei hälften zu teilen. der eine der zwei auf diese weise entstandenen räume war relativ dunkel, weil die wandkonstruktion den lichteinfall durch fenster und oberlicht des raumes teilweise verhinderte. die andere hälfte des raumes, die über einen durchgang zwischen der eingezogenen und der vorgefundenen wand zugänglich war, wurde dagegen hell erleuchtet. dieser akt des ausstellens von gemeinhin dienenden elementen lenkte den blick nicht nur auf die formalen bedingungen des kunstbetriebs, sondern stellte auch eine deutliche kritik an der bisherigen entwicklung des "white cube" und seiner funktion für die kunst der moderne dar. letztlich wandte sich ashers intervention gegen das avantgarde-postulat einer autonomen kunst, die im museum des 20. jahrhunderts ihre durch ihre selbstbezüglichkeit entstandene ortlosigkeit in den strahlend weißen, radikal neutralen kunsträumen aufzuheben versuchte. gegen die vorstellung der auratisch-selbstbezüglichen künstlerischen handlung in einer "weißen zelle", in der begrifflich sowohl eine gewollte sakrale dimension wie auch der aspekt einer gefängnisartigen insolierstation anklang, setzte asher eine institutionskritische praxis, welche die vorstellung einer tatsächlichen autonomie der kunst als ideologisches phantasma entlarvt. dafür defunktinalisiert er den museumsraum als räumlichen träger dieser ideologie sozusagen von innen her, um ihn auf seine historischen wie auch inhaltlichen bedingungen und bedingtheiten hin kritisch zu durchleuchten. 1993 erarbeitet leni hoffmann in der erlanger galerie hartmut beck mit doggerell eine ihrer ersten großen raumbezogenen arbeiten. die wesentlichen eingriffe bestehen dabei in einer auf 140 cm raumhöhe eingezogenen hölzernen zwischendecke, die zu den seiten hin mit ummantelten stahlseilen verspannt ist, einem orange- und gelbfarbenen knetboden, der den ursprünglichen holzboden vollständig bedeckt, und den schaufensterflächen der galerie, die oberhalb der eingezogenen zwischendecke mit magentaroter knetmasse bedeckt wurden. durch die mit ihrer innenseite nach außen gedrehte galerietür wäre die strahlend hell erleuchtete ausstellung zwar potenziell betretbar gewesen, tatsächlich blieb sie aber auch während der öffnungszeiten geschlossen. zu den weiteren komponenten der ausstellung gehörte ein siebdruck des australischen künstlers ray arnold, den leni hoffmann von innen an der offiziellen gläsernen galerietür befestigt hatte. deutlich treten bereits in dieser arbeit einige zentrale spezifika dieses werks zutage, die es einerseits in eine traditionslinie mit der entwicklung der moderne, ihrer präsentation und ihrer kritischen hinterfragung stellen, wie sie im oben skizzierten beispiel der arbeit michael ashers anklingen, andererseits aber auch unterschiede deutlich machen. so artikuliert sich in der unbetretbarkeit des partiell gleißend hellen galerieraums wie auch in den monochromen knetflächen ein bewusst gesetzter bezug zu der entwicklung einer autonomen farbmalerei, die im selbstgenügsamen museums- oder galerieraum ihre selbstreflexive bestimmung findet. gleichzeitig perforieren die povere alltäglichkeit der knetmasse und die körperlich-gestischen einschreibungen, mit denen die farbflächen skulptural gestaltet werden, jeglichen anflug von absolutheit und hermetik. eine formale nähe zu asher artikuliert sich in der teilung des raumes, die zudem - als weitere parallele - dafür sorgt, dass ein teil des raumes dunkel und der andere hell erleuchtet ist. anders als asher zielt hoffmann mit dieser arbeit aber nicht (mehr) auf eine kritische hinterfragung institutioneller ausstellungsorte und ihrer historischen, formalen und ökonomischen bedingungen. im grunde argumentiert die künstlerin post-ideologisch. sie bewegt sich auf dem fundament einer historisch gewonnenen differenzierung des autonomiebegriffs und seiner institutionskritischen hinterfragung, nicht, um diese schlachten nun noch einmal zu schlagen, sondern, um die dahinter stehende frage, welchen ort die kunst heute noch aktivieren beanspruchen kann und wie sich dieser raum für den betrachter aktivieren lässt, neu zu reflektieren. dabei geht es, wie schon die erlanger arbeit zeigt, nicht in erster linie darum, räume und orte so zu besetzen, dass sie in ihrer bedeutung und funktion vollständig transformiert werden, sondern, wie dies hans-ulrich obrist in einem gespräch mit der künstlerin treffend benannt hat, um eine "wechselseitige dynamisierung" von räumen und orten (leni hoffmann, in : flash art, nr. 178, mailand 1994, s. 87) . so fungieren die farbigen knetflächen, die von innen auf die galeriefensterscheiben aufgebracht wurden, als mediatioren zwischen innen und außen, was nicht allein an ihre positionierung liegt, sondern auch an dem neonlicht der galerie, das die knetflächen in durchscheinende leuchtbilder verwandelt, die rot und heiß in den außenraum abstrahlen. bild und raum verschmelzen zusammen mit den spezifischen gegebenheiten des ortes zu einer untrennbaren einheit, deren wechselseitige verzahnung nicht in erster linie auf eine introspektive sichtung ihrer eigenen bedingungen, sondern auf einen dialog mit dem außen, dem betrachter gerichtet ist, insofern funktioniert auch die eingezogene zwischendecke nicht in erster linie als hinterfragung der funktion der galerie, sondern als differenzierung und dynamisierung ihrer räumlichkeit, die im akt der defunktionalisierung den doppelten bildcharakter der arbeit betont. auch deswegen ist diese zwischendecke nicht, wie ashers wand, aus elementen gebildet, die zur funktionsausstattung der galerie gehören, sondern neu konstruiert. wobei das konstruktionsprinzip sich an einer australischen ständerbauweise orientiert, die es ermöglicht, eingezogene zwischenwände jederzeit flexibel zu verschieben. sogar das siebdruckplakat, das von der bis heute reichenden beschäftigung mit ausstellungsbezogenen druckwerken zeugt, welche leni hoffmann stets als integralen bestandteil ihrer projekte begreift, aktiviert diesen moment einer spezifischen verknüpfung zwischen unterschiedlichen räumen und ihren verschiedenen bedeutungen. indem der ohne jegliche vorgabe entwickelte beitrag des befreundeten australischen künstlers ray arnold einerseits zum plakat der ausstellung leni hoffmanns avancierte, andererseits auch den namen arnolds gleichberechtigt trug, dessen originalbeitrag an anderer stelle im nebenraum der galerie zu sehen war, verzahnte das plakat die arbeit beider künstler bis zu dem punkt, an dem eine dynamisch pulsierende interdependenz zu ihrer eigentlichen signatur wurde. nur am rande sei noch angemerkt, dass die doppelbödige übersetzung des absichtlich falsch geschriebenen titels doggerell, der wörtlich übersetzt "nicht reimendes versmaß" und umgangssprachlich "unzusammenhängender mist" bedeutet, vor diesem hintergrund natürlich eine ganz besondere ironische schärfe bekommt.

die weiter oben beschriebene verschränkung von ort und werk zeigt sich auch - diesmal bezogen auf den außenraum - in Marelle, ebenfalls aus dem jahre 1993. als ort für ihre arbeit wählte leni hoffmann eine kleine, außerordentlich dicht befahrene holzbrücke der kleinen australischen ortschaft bangalow, zwischen einem eisenbahnübergang und einer landstraße. in ausgewählte holzritzen der brückenplanken wurde nachts blaues knetgummi eingefügt, wodurch eine monochrome geometrische zeichnung entstand. sichtbar war dieses bild vor allem für autofahrer, die aber, aufgrund der dichte des verkehrs und der gegebenheiten der örtlichkeit, nicht anhalten konnten, um die einschreibung in ruhe zu betrachten, sondern gezwungen waren, sie buchstäblich zu überfahren, wenn sie ihrer zumindest momentweise gewahr werden wollten. in der mehrfach dynamisierten situation (brücke, eisenbahnübergang, schnellstraße) wird die verbindung zwischen ort, künstlerischem eingriff und betrachter einerseits dramatisiert und körperlich, andererseits aber auch mit einer flüchtig-ephemeren qualität aufgeladen. indem sich die sichtbarkeit der arbeit an ihre befahrung knüpft, sorgt sowohl die bewusste wie auch die zufällige wahrnehmung der intervention sukzessive für ihr verschwinden. entstanden buchstäblich in einem zwischenraum, wird der eingriff schlussendlich zum unsichtbaren bestandteil dieses zwischenraums und beweist damit, wie sehr leni hoffmann in ihrer gesamten arbeit darauf achtet, die prägung eines ortes gegen den respekt vor der eigenwertigkeit der situation auszubalancieren. die blaue knetmasse in-formiert insoweit nicht nur den hohlraum zwischen den brückenplanken, sondern wird auch von seiner dynamischen linearität in seiner gestalt mitbestimmt. diese bewegung hin zu einer handlung, welche die eigene präzise mit nicht steuerbaren eingriffen in das werk verknüpft, findet sich vielfältig im gesamtwerk. so besteht zum beispiel Valis (1997) aus einem gelb-grün-orangenen knet-parallelogramm, das in einen straßenabschnitt vor dem koege bugt kulturhus im dänischen greve eingelassen wurde, nachem eine dünne schicht asphalt zunächst erhitzt und dann abgetragen worden war. das skulpturale bodenbild, welches einen präzisen bezug zu seiner umgebung aufnimmt, wird seinerseits selbst zum gegenstand einer weitreichenden veränderung durch die spuren der autoreifen, die sich in es eindrücken und damit nicht nur seine textur, sondern vor allem auch seine farbigkeit verändern.

das bedürfnis, die eigene arbeit bewusst dort zu verwirklichen, wo sie einerseits der dem kunstwerk normalerweise zugestandenen möglichkeit kontemplativer entzogen ist und dabei zusätzlich noch in ihrer identität erheblich verändert wird, muss mit dem grundimpuls des werks nach durchaus physischer interaktion gesehen werden. insofern sorgen die immer auch aggressive dynamik des verkehrs und die einschreibungen der autoreifen in die knetmasse exakt für die reibungshitze, welche das werk braucht, um beides sein zu können: ein buchstäblich von der realität gezeichnetes bild, das andererseits trotz seiner direkten verbindung mit der welt immer auch seine entzogenheit mitformuliert. in der konjektion von automobiler bewegung und befahrenem knetbild wird so die dem werk eingeschriebene ambivalenz zwischen präsenz und verschwinden besonders greifbar. die lustvolle nähe zur straße und zu ihrem heterogenen dynamismus wird auch im rahmen ihres projektes für hannover deutlich. so befindet sich brisago im treppenhaus des kunstvereins auf den treppenstufen: eine glatt abgezogene splittanhäufung, die mit flüssigem asphalt überzogen wurde und damit nicht nur klassische statische skulpturalität mit bewegung verbindet, sondern auch grundmaterialien des straßenbaus zum einsatz bringt. zusätzlich wird eine zentrale straße direkt vor der oper hannovers zum ort für die handlungsbezogene arbeit iluka, die im rahmen des hannover-projektes zum dritten mal überhaupt realisiert wird. dabei werden farbige knetkugeln, deren größe sich aus der handgröße der künstlerin ergibt, von leni hoffmann und ihren helfern auf die farbahn geworfen und durch den vorbeifahrenden verkehr in eine langezogene, wenn man so will, gestische malerei verwandelt. auch deswegen - und nicht nur wegen seiner spielerisch konnotierten alltäglichkeit, welches ihn zum perfekt demokratischen arbeitsmittel macht - ist knetgummi über all die jahre das zentrale, wenn auch bei weitem nicht einzige arbeitsmittel für die künstlerin geblieben: in seiner formbarkeit steckt die möglichkeit zu völliger adaptierung an die äußere situation wie auch zu völliger überformung. zudem drückt sich in ihm nicht nur die situation aus, in die er eingearbeitet wurde, sondern auch die körperlichkeit, die in seine bearbeitung geflossen ist. die rosettenform, die leni hoffmann in ihren innenraum-bezogenen arbeiten für den vorgang des knetens entwickelt hat, ist dafür das sichtbarste zeichen. als tausendfache signatur der knetmasse beweist sie die verbindung zwischen dem körper der künstlerin und dem körper des materials, wird also zum erweis der manufaktur des werks, die gleichzeitig durch die serielle endloswiederholung wieder partiell destabilisiert und an die ästetik maschineller fließbandproduktion verwiesen wird. darüber hinaus mediatisiert die rosettenstruktur das knetbild zum zwitter zwischen barock wirkender formschleife und monochrom minimalistischer strenge wie auch zur kippfigur zwischen skulpturaler räumlichkeit und bildhafter zweidimensionalität. dergestalt wird der zwischenraum, von dem weiter oben bereits die rede war, in doppelter hinsicht zur zentralen metapher dieses werks. er beschreibt nämlich nicht nur das bestreben der arbeiten, räume als zwischenräume auszuloten, um aus ihnen heraus umraum zu schaffen und damit möglichkeiten der synapsenbildung zwischen werk und welt zu erproben. er fungiert auch als hinweis auf die stets mindestens bipolare struktur der arbeit, welche - teilweise exzessive - körperlichkeit an kühle entzogenheit, bildhafte flächigkeit an raumgreifende skulpturalität, statik an dynamik und barocke illusion an minimalistische strenge koppelt. in leni hoffmanns ausstellung im kunstverein hannover wird dieses moment des zwischenraums an mehreren stellen artikuliert. besonders deutlich zeigt sich das an REM, einer aus kalksandsteinen gebildeten wand, die wie eine klammer das wandstück eines türdurchgangs umschließt und monochrom farbige putzflächen trägt, die durch weitere farbige putzflächen auf der umschlossenen wand ergänzt werden. wie eine umarmung mutet diese geste an, die bei aller nähe, die sie zwischen den wänden und ihren putzflächenbildern inszeniert, doch immer auch auf dem moment der differenz beharrt. der zwischenraum, der sich hier darstellt, ist insoweit kein sich nach außen abschließender schutzraum, in dem alles auf kongruenz angelegt ist, sondern aktiviert wiederum die idee eines umraums, eines permanenten austausches zwischen architektur und konstruktion, zwischen bild und raum, zwischen betrachter und betrachtetem. dazu gehört in vielen arbeiten der künstlerin die möglichkeit zur benutzung einzelner werke, in hannover in form einer großen betretbaren bodenarbeit aus knetmasse und mit betonelementen onamdade, die in unterschiedlicher höhe und unterschiedlich tief in den raum ausgreifend in der wand befestigt ist. ebenso gehört zu dieser auslotung zwischen raum und betrachter/benutzer aber auch die idee der barriere und der versperrung. in diesem sinne bilden zabrisky's etwa 80 cm hohe wandumlaufende betonelemente, die nach innen in unterschiedlichen neigungswinkeln schräg abfallen, vor dem ein- und ausgang eines weiteren raumes einen massiven riegel, dessen höhe eine übersteigung jederzeit möglich, aber auch zu einem akt körperlicher anstrengung macht. erst der physische einsatz ermöglicht in diesem fall die erfahrung, tatsächlich inmitten des bildes zu stehen, das sich durch die annähernd quadratische aussparung auf dem boden formuliert. ganz zum schluss, im letzten raum erwartet uns dann die erfahrung eines vollkommen unbetretbaren raums, der gleichzeitig die möglichkeit verwehrt, den ausstellungssaal, in dem er sich befindet, als ganzes zu durchlaufen. aus brusthohen raumbreiten, innenseitig mit knetmasse bedeckten, hinterstrahlten glasflächen und darüber befindlichen bis zur decke reichenden putzflächen entsteht ein ebenso hermetisches wie auratisch wirkendes raumvolumen, secam. aus ihm leuchtet, befeuert durch natur- und kunstlicht, der glanz eines unberührbaren bildes, das seine kraft, ähnlich wie die eingangs geschilderte arbeit doggerell, wesentlich daraus gewinnt, dass es stets beides ist: die betörende visualisierung der sehnsucht nach dem reinen bild und seine gleichzeitige notwendige demontage.

stephan berg



Katalog: Leni Hoffmann - beautiful one day - perfect the next, (Hrsg. Stephan Berg, Martin Engler, Kunstverein Hannover 2004)


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