Sammlung

Günther und Carola Peill waren passionierte Sammler, vor allem von Werken der Klassischen Moderne. Zur Günther-Peill-Stiftung gehört daher eine kleine Sammlung mit Werken der Klassischen Moderne, beispielsweise zwei wunderschöne Zeichnungen von Alexej von Jawlensky, Graphiken von George Braque, Max Ernst, Wassilij Kandinsky und 40 erlesene Werke des mit Günther und Carola Peill befreundeten Malers Ernst Wilhelm Nay, den die Peills in den 50er Jahren kontinuierlich unterstützten. Ihre Sammlung der Klassischen Moderne und ein Teil ihrer Sammlung mit Werken von Ernst Wilhelm Nay sind heute im Museum Ludwig in Köln beheimatet. Weitere Werke der Sammlung befinden sich im Leopold-Hoesch-Museum Düren.

Karl Ruhrberg: Mit Bildern leben - Gedenkblatt für Carola Peill

Carola Peill hat Bilder nicht gesammelt, sie hat mit ihnen gelebt, viele Jahre hindurch gemeinsam mit ihrem Manne, dem allzu früh verstorbenen Günther Peill, aber auch in der langen Zeit danach, die ihr zu ihrem und zum Glück ihrer Freunde beschieden war. Ihr Impuls war die spontane Freude am Kunstschönen, für das sie in hohem Masse empfänglich war. Das Gefühl der Dankbarkeit, sich damit umgeben zu können, hat sie nie verlassen und sie wie Günther Peill immer wieder dazu veranlasst, auch andere - Menschen und Institutionen, ihre Freude und die Arbeiter im Betrieb- an ihrer Freude teilhaben zu lassen. Ihre großen Augen leuchteten in dem eindrucksvoll geprägten Gesicht, das niemand vergisst, der ihr einmal begegnet ist, wenn sie die Bilder anschaute, von denen sie umgeben war und die sie als Essential des Lebens verstand. Kein Gedanke an Ideologie und schon gar keiner an materiellen Wertzuwachs durch Kunst! Insofern handelte es sich bei ihr im Sinne des- mitunter missverstandenen- Worts von Immanuel Kant um ein gänzlich unspekulatives "interessenloses Wohlgefallen". Dem entsprach ihr Verzicht auf kunsthistorische Notengebung auf der Basis hohen Respekts vor dem jeweiligen Werk, seiner Wirkung auf die eigene Persönlichkeit in dem der dem Menschen zugemessenen Zeit, und vor allem auf der Achtung vor dem Künstler.
Die Freundschaft mit Ernst Wilhelm Nay, den die Peills zwei Jahre nach dem Erwerb ihres ersten Nay-Bildes (einer Gouache) kennenlernten, hat diese Haltung sicherlich stabilisiert.
Sie war aber auch in Frau Carolas Naturell angelegt. Bei aller Sensibilität und einem sicheren Gefühl für Qualität urteilte sie nie elitär, wie eine Bemerkung aus dem Jahre 1983 schlagend beweist:" Zum Kuchen gehören nicht nur >Rosinen<, dazu gehört auch das Mehl." Solche keineswegs naiven, sondern von einem hohen Bewusstseinsgrad geprägten Einsichten gehörten ebenso zu Carola Peills toleranter, differenzierter Persönlichkeit wie zu der Kollektion von Kunstwerken, mit denen sie sich umgab. In ihrem Wesen verband sich Distanz mit Herzlichkeit. Sie hatte Talent und Lust zur Freundschaft, aber niemand geriet in Versuchung, ihr schulterklopfend zu nahe zutreten. Diese Mischung machte den Umgang mit ihr so angenehm, auch wenn es darum ging, eine Auswahl von Werken für museale Präsentationen zu treffen. Carola Peill überließ ihren Partnern mit oft erstaunlicher Großzügigkeit und ohne die leiseste Andeutung persönlicher Eitelkeit die Entscheidung, und wenn sie das Gefühl hatte, das eine Museum sei zu kurz gekommen, bemühte sie sich um einen möglichst gerechten Ausgleich. Sie hatte durchaus ihre eigene Meinung, aber sie hat nie versucht, sie einem von uns zu oktroyieren. Von solcher Offenheit war auch ihr Umgang mit Künstlern geprägt. Bis in ihre letzten Jahre hinein ist sie mit solchen, die sie mochte, in der Welt herumgereist, und nie hatte sie bei jungen Leuten oder neuen künstlerischen Tendenzen Berührungsängste. Im Gegenteil: Sie hat sie nach Kräften gefördert. Das machte Carola Peill, bevor hohes Alter und Krankheit sie zu bedrücken begannen, zu einer so lebendigen Gesprächspartnerin.
Ich bin dankbar dafür, ihr begegnet zu sein.

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Dieter Ronte : Carola Peill

Nach dem Tode von Günther Peill erlebte Carola Peill besonders schwere Jahre. Ich erinnere mich an die Anrufe Sonntagsvormittags, wenn sie das Haus verlassen wollte, wenn sie ausbrechen musste, wenn sie einen Begleiter suchte, der sie zu den Kunstwerken irgendwohin brachte, mit dem sie über Kunst diskutieren konnte. Kunst war für Günther und Carola Peill keine Schmückung, keine Repräsentation, sondern Notwendigkeit. In Carola Peill konnte ich zum ersten Mal jenen leidenschaftlichen Sammlertyp begegnen, der es immer abgelehnt hätte, sich selbst Sammler zu nennen. Sammler aber vereint die Gabe, für sie wertvolle miteinander zu vereinen, sie zu einer Sammlung auszubauen. Besonders edel scheint es uns dann zu sein, wenn diese Sammlung aus Kunstwerken besteht, aus geistigen Artefakten. Dieses war bei Günther und Carola Peill der Fall. Natürlich waren sie Sammler, wichtige Sammler für die rheinische und deutsche Kunstszene.
In kaum einer Zeit ist das Sammeln von Kunstwerken so unter ökonomischen Überlegungen, die das Sammeln nie dazu gebraucht haben, ökonomische Werte zu addieren. Ihnen ging es ganz alleine um die affektiven Bindungen, die Kunstwerke aufbauen können, wenn Menschen bereit sind, sich dem Dialog zu stellen. dieser Dialog, die Diskussion mit jedem einzelnen Kunstwerk kann so weit gehen, das Leben neu zu formen. hier setzt jenes leidenschaftliche Sammeln ein, dessen Antriebsfeder die Emotionen sind. Günther und Carola Peill waren ideale Vertreter diesen seltenen Sammlertyps. Im Rheinland ist diese Form des Sammelns nicht ungewöhnlich, es ist sicherlich jene, die sie von vielen amerikanischen Vorbildern unterscheidet. Die Sammler suchen nicht nur den Kontakt zum Bild, sondern auch zu dem Produzenten. Die Nay-Sammlung¥, dieses Aufgehen in den Formen der Nayschen Kunst wären für Günther und Carola Peill unmöglich gewesen., wenn nicht eine Freundschaft zum Künstler dieses unterstrichen hätte, ihnen die Sicherheit gegeben hätte für das, was es auszuwählen gab.
die Sammlung Günther und Carola Peill, die als Stiftung an das Museum Ludwig nach Köln gegangen ist, zeichnet sich durch bestimmte Charakteristika aus, die besonders nach dem Vorhergesagten, auch die Personen der beiden Sammler widerspiegelt. Günther und Carola Peill haben nicht die Vergangenheit gesammelt, nicht bei Rembrandt angesetzt, oder, auch im Rheinland eine beliebte Sammlerwiese, der niederländischen Malerei, besonders der Landschafts- und Genremalerei. Sie suchten beide das Zeitgenössische, das Moderne, so wie es auch ihr Beruf verlangt hat, dort wo die neue, die schöne Form im Glas entstehen musste. Hier gibt es Vorgaben, die sich in der Sammlung widerspiegeln. Nay, Kirchner, Jawlensky, Baumeister, Nolde usw. sind jene Schwerpunkte, aus denen sich die Sammlung kristallisiert. Es sind alles Künstler, die sich nicht mehr dem puren Realismus verschrieben haben, die nicht mehr im Sinne von Memisis versuchten, das Vorgegebene der Natur zu übertrumpfen. Es sind Künstler, die mit eigenen Ansichten, mit eigenen Segmenten sich in die Kunst eingebracht haben, dort wo sie Natur umformuliert haben, weil sie die Interpretation suchen, dort wo sie in der Abstraktion einen neuen Kosmos aufschlüsseln wollten, wo sie Harmonien suchten, Schönheiten, die nicht der mathematischen Logik entsprangen, nicht dem goldenen Schnitt, sondern mehr der Emotion. Zwar ist wie bei Kandinsky auch das Lineal als Korrektur der Geraden möglich gewesen, aber es ist nicht die bestimmende Komponente der Sammlung. Die Künstler der Sammlung Peill formulierten Bewegungen, Abläufe, Prozesse. Hier exakt suchten die beiden Sammler den Dialog, hier nur konnten sie die affektiven Bindungen finden. Nicht in der logischen Kunst z.B. der Züricher Konstruktiven, nicht in der Errechenbarkeit, sondern dort, wo die Phantasie in das Abenteuer von Leinwand und Skulptur umschlägt, wo der kreative Prozess im Bild immer ablesbar ist, wo er nicht Endpunkt ist, sondern so offen gestaltet ist, dass jeder Zeit ein Dialog positiv geführt werden kann.
Diese Bindungen mögen auch erklären, warum Günther und Carola Peill nie in die Breite gesammelt haben, warum sie sehr sorgfältig überlegen mussten, ob der eine oder andere Künstler noch hinzugefügt werden soll. In der Einschränkung konnten sie ihr eigenes emotionales Feld bestimmen, dass sie brauchten, aus dessen Energien sie neue Kraft suchten, um im Beruf, im Gespräch, im gesellschaftlichen Leben ihren eigenen Part zu spielen. Die Sammler, die das kostbarste um sich zusammentrugen, die ihr Sammlertum immer negierten, weil sie meinten, dass das Sammeln ebenso notwendig ist wie das Atmen.

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Elisabeth Nay-Scheibler: Hommage

Im Osten Deutschlands, in Frankfurt an der Oder geboren, verlor Carola bereits im Alter von drei Jahren ihren Vater. Die Mutter zog als Witwe mit der kleinen Tochter nach Düsseldorf, wo Carola als Einzelkind aufwuchs und sich zu einem schönen jungen Mädchen entwickelte. Schon früh wurde sie angezogen vom unbürgerlichen Künstlermilieu, verkehrte im Kreis der Mutter Ey mit Malern und Schauspielern und wurde schließlich für den Film entdeckt. In einem Stummfilm spielte Carola sogar die Hauptrolle. Doch als sie in den 20er Jahren in Berlin Günther Peill begegnete, war ihr Schicksal besiegelt und die Theaterkarriere beendet. Es war für beide die große Liebe. Bei aller Verschiedenheit ihrer Charaktere waren sie wie für einander geschaffen. Sie heirateten 1932 in Berlin. Günther Peill, der Sohn einer traditionsreichen rheinischen Industriellenfamilie, trat schließlich in die väterliche Glashütte in Düren ein, und in dieser Stadt verbrachten Carola und Günther die Hauptzeit ihres Lebens. auch den zweiten Weltkrieg und den furchtbaren Luftangriff, der Düren völlig zerstörte, erlebten sie gemeinsam. Bemerkenswert direkt und unkonventionell war Carola Peills Umgang mit der Kunst, die sie ohne intellektuelle Barrieren, mit den Sensoren des Instinkts und dem Vermögen, das Besondere, Progressive zu erkennen, erlebte. Voller Bewunderung für die Künstler, für Maler und Bildhauer, die etwas Neues hervorbrachten, verstand sie auch ihren Mann zu begeistern, und gemeinsam entwickelten sie sich zu ausgezeichneten Kennern und Förderern der Gegenwartskunst. Dies alles begann in der Aufbruchzeit nach dem Krieg, getragen vom Neubeginn und der Neugier, wie sich diese neue Welt künstlerisch entfalten würde. Carola und ihr im Jahr 1974 verstorbener Ehemann Günther Peill begannen in Düren, bald nach Kriegsende, Moderne Kunst zu sammeln. Durch ihre im Laufe von Jahrzehnten erworbenen Kenntnisse, ihre Erfahrung und Bescheidenheit sind sie zum Vorbild eines idealen Kunstmäzenatentums geworden. Mit Instinkt und bildnerischer Urteilskraft sammelten sie Werke, die ihrem individuellen Geschmack besonders entsprachen, so z.B. von Klee, Kandinsky, Schlemmer, Jawlensky, von Beckmann, Kirchner, Schmidt-Rottluff, Max Ernst u.a. Künstlern. Peills hatten nicht den Ehrgeiz, ihre Sammlung auf Vollständigkeit auszurichten, sie bevorzugten keine einzelne Künstlergruppe oder Stilrichtung- mit der Ausnahme, die dem Werk von Ernst Wilhelm Nay galt. Die besondere Anziehung, die Nay auf sie ausübte, lag wohl daran, dass Peills die Eigenart seiner Kunst schon früh erkannten und instinktiv spürten, dass seine leidenschaftliche und dynamische Farbigkeit in einer Tradition deutscher Malerei lag, wie sie bei Grünewald oder Altdorfer bis herauf zu den farbstarken Bildern der Expressionisten zum Ausdruck kommt. Das Element der Gegenwart setzte Nay durch das Feuer seiner Farbe und eine neue, eigenständige Abstraktion. Seine Bilder sind geprägt von einer Balance zwischen dem Sinnlichen und dem Geistigen, die seine Originalität ist.
1947 erwarben Carola und Günther Peill das erste Werk ihrer Nay-Sammlung, eine Gouache "Liegende Frau" des gleichen Jahres (s.Kat.Nr.48). 1949 machte das Ehepaar die Bekanntschaft mit Nay durch einen Besuch in seinem Atelier in Hofheim im Taunus, weitere Begegnungen schlossen sich an und eine Freundschaft entstand, die durch Nay¥s Übersiedlung nach Köln 1951 noch enger wurde. Wenn diese Zustimmung und Wertschätzung seiner Arbeit von Nay auch mit großer Dankbarkeit angenommen wurde, in einer Zeit, als seine Kunst noch umstritten war, so war sie doch nicht maßgebend für diese 20jährige Freundschaft. Der nach dem Krieg gemeinsam und bewusst erlebte Aufbruch zu einer neuen Geistigkeit, zu einer Neu-Orientierung der europäischen Kunst, gab dieser freundschaftlichen Verbindung erst ihren besonderen Inhalt und Klang. Nach und nach entstand- in 20 Jahren von 1948 bis zu Nays Tod 1968- eine der schönsten und umfangreichsten Nay-Sammlungen, die nicht nur eine große Anzahl ÷lbilder umfasst, sondern wohl auch die sorgfältig ausgewählteste und bedeutendste Aquarell- und Gouachensammlung, dazu die fast vollzählige Druckgaphik.
in den Nachkriegsjahren war das Haus der Peills- erst in Düren, später in Köln- ein Treffpunkt von Kunstfreunden, die hier die interessantesten Bilder vorfanden. Lange, zeitlose Nächte mit nimmermüden Gästen in endlosen Gesprächen, das war seinerzeit durchaus üblich.
Aber nicht nur im privaten Freundeskreis engagierte sich das Ehepaar. Günther Peill ermöglichte auch den Betriebsangehörigen seiner Glashütte durch regelmäßige Einführungsvorträge einen Zugang zur modernen Kunst und gewann dafür u.a. so berühmte Kunstkritiker wie Willi Grohmann oder Werner Haftmann. Eine weitere soziale Einrichtung, die großen Anklang fand, waren die ständigen Graphik-Ausstellungen in der Firma Peill & Putzler. Das Ehepaar Peill kaufte diese graphischen Blätter z.B. von Max Ernst, Nay u.a. Künstlern, die dann von interessierten Firmenangehörigen bis zur Hälfte des Wertes angespart werden konnten. Die andere Hälfte des Preises und die Rahmung bezahlte die Firma. Injenen 50er und 60er Jahren gab es schon einige herausragende Sammler, wie Bernhard Sprengel, Josef Haubrich oder Karl Ströher, aber auch die Peills gehörten dazu. Die Kunstszene, die man damals noch "Kunstwelt" nannte, war wie eine grosse Familie, man kannte sich untereinander und das gemeinsame Interesse an der modernen Kunst war keine allgemeine, sondern eine private Angelegenheit. Wenn es auch schon umfassende und bedeutende Ausstellungen gab wie die Documenta oder die Biennale, die große Beachtung fanden, so existierten- im Gegensatz zu heute- noch keine Kunstmärkte und auch keine Vielzahl von Galerien. Der persönliche Kontakt zu den Künstlern wurde intensiver gepflegt, man war am direkten Austausch der Gedanken interessiert, an der Atmosphäre der Ateliers, und man wollte etwas Neues, Unbekanntes entdecken und erleben. Beide Peills verstanden es auf natürliche Weise, ihre geistigen interessen und Aktivitäten des Sammelns mit dem Genuss zu verbinden, den ihnen viele Kunstreisen, Atelierbesuche, Gespräche und Diskussionen mit Künstlern und Kunstleuten, die sie häufig zu sich einluden, brachten. Besonders sympathisch war ihre Bescheidenheit. Es kam ihnen nie in den Sinn, öffentliche Ehrungen zu erringen. Sie sammelten eigentlich ohne Absicht, mit der Sehnsucht- als Äquivalent zum Alltäglichen- eine möglichst unmittelbare Teilnahme am Geschehen der Gegenwart über die Kunstwerke zu gewinnen.
Diese mit so viel Liebe und Kenntnis zusammengestellte Sammlung wurde von Carola und Günther Peill öffentlich zugänglich gemacht mund überwiegend an das Museum in Köln gestiftet, das Leopold-Hoesch-Museum in Düren und einzelne Werke an das Wilhelm-Lehmbruck-Museum in Duisburg.

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